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Geschlechterkampf und wilde Erotik

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Wie bei seinem Gastspiel im November 2008 hat das kanadische Ensemble "Les Ballets Jazz de Montréal" am Sonntagabend die Zuschauer im vollen großen Saal des Graf-Zeppelin-Hauses mit seinem innovativen, sprühend vitalen Tanz hingerissen.

Begeisterung weckte bereits der siebenminütige Pas de deux "Mono Lisa" von Itzik Galili. Die Geräuschkulisse von Schreibmaschinengeklapper und ratternden Maschinen begleitet ein Paar, das unter zwei Scheinwerferreihen im Bühnennebel tanzt. Spitzentanz und Modern Dance vereinen sich mit geschmeidigster Akrobatik, immer neue abstrakte Figuren, die zuweilen stilisiertem Kampf gleichkommen, entstehen in der Begegnung von Mann und Frau. Immer wieder wirft der Tänzer seine Partnerin hoch, fängt sie auf, wirbelt und schleudert sie im Kreis. Nur ein Vorspiel zu den beiden rund 40-minütigen Choreographien des Abends mit dem ganzen Ensemble.

Traditionelle indianische Musik begleitet Rodrigo Pederneiras kraftvolle Choreographie "Rouge". Als werde ein Arbeitstakt eingepeitscht, bewegt sich das Ensemble, nur von einem seitlichen Lichtkegel beleuchtet, im Nebel, Vögel kreischen, Wasser rauscht. Immer neue Zweier- oder Dreiergruppen schälen sich heraus zu hocherotischem Spiel.

Begierde und Ruhe

Hechelnde Begierde, hämmernde Ektase, zuckende Leiber wie Gewürm am Boden, synchrones und wieder gegenläufiges Springen und Abrollen schaffen erregende Bilder. Mit äußerster Energie wehrt eine Frau den Mann ab und wird dennoch gebraucht. Nur ein Paar umfasst sich in solch aufgeheizter Atmosphäre in Ruhe und Zärtlichkeit, während die übrigen sich als schwarze Silhouetten vor rotem Grund dahinter vorüberschieben.

Poesie und Humor

"Das Leben ist ein ständiger Kampf, wir sind ständig konfrontiert mit Konflikten in Bezug auf Kultur, Geschlecht und Spezies", sagt der israelisch-amerikanische Choreograph Barak Marshall und paart in seinem 40-minütigen Stück "Harry" Leben und Tod, Krieg und Geschlechterkampf mit Poesie und Humor, treibt mit Entsetzen Scherz, was manchen Zuschauern angesichts der jüngsten Ereignisse zu makaber erscheint. Immer wieder liegt sein Held Harry tot auf der Bahre, "erschossen" von zerknallten, mit Talkum gefüllten Luftballons, beweint von Frauen, die ihn bald wieder umschwärmen, wenn er – wieder auf den Beinen - den passenden Deckel auf seinen Topf sucht. Mädchen produzieren sich vor jungen Männern, die sie beäugen und dann lieber der roten Fahne folgen oder Leben mit Sex verwechseln, wie eine Tänzerin sagt.

Barak Marschall lässt nicht nur tanzen, sondern auch spielen und sprechen und in Yiddish singen. Er begleitet das bunte Treiben mit Musik vom Swing und Slowfox bis zu Puccinis Liebesarie "O mio babbino caro" oder Schuberts "Tod und das Mädchen".

Eine skurrile Choreographie, bei der zuletzt zu Bert Kaempferts "Danke schön" der Boden übersät ist mit den roten Fetzen der Luftballons.


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