Bei den achten Filmtagen in Friedrichshafen hat es wieder viele feine Beiträge zu sehen gegeben. Auf dem Programm standen Dokumentar- und Kurzfilme junger Regisseure vorwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Streikende Fischer, aufgebrachte Bürger und hilflose Helfer: Mit dem Dokumentarfilm "Lampedusa im Winter" beginnen die diesjährigen Filmtage Friedrichshafen "Jetzt oder nie" direkt mittendrin, mittendrin in einer Debatte, wie sie brisanter nicht sein könnte. Was müssen wir tun, was muss die Regierung tun, was muss in der Europäischen Union geschehen und wo gibt es Grenzen der Hilfsbereitschaft in der sogenannten "Flüchtlingskrise"? Ungeschönt schildert der Film die Ereignisse auf der italienischen Insel, die selbst einige Schwierigkeiten zu meistern hat. Zum Zeitpunkt des Drehs war gerade die einzige Fähre zum Festland in Flammen aufgegangen, das Ersatzschiff der Fährgesellschaft reicht nicht aus, um allen Fisch zu transportieren. "Die wollen uns loswerden und die Insel den Flüchtlingen überlassen", meint einer der Betroffenen. Daneben steht Paola, die die Neuankömmlinge unterstützt und für sie Partei ergreift. Angenehm wertfrei beobachtet die Kamera. Das Publikum hält sich an dem Glas Sekt fest, das es zur Eröffnung des Festivals gegeben hat, zu trinken traut sich bald keiner mehr – die angespannte Stimmung ist ansteckend.
Ein bunter Strauß an Themen
Da ist es gut, dass die Filmauswahl wie gewohnt einen kunterbunten Blumenstrauß an Themen zu bieten hat – am selben Abend geht es dann noch mit Matthias Affolters "Berge im Kopf" dorthin, wo die Luft dünner wird. Am Samstag dann locken Kurzfilme zahlreiche Zuschauer in den Kiesel. Die Kleinen bekommen zuerst etwas geboten. Animations- und Trick-, aber auch vereinzelt Spielfilme führen die Kleinen an die ganz großen Themen heran oder handeln von Alltagsproblemen, die das junge Publikum selbst kennt. Muss jedes Mädchen eine Prinzessin sein? Darf man ein Kind ausgrenzen, weil es anders ist als die anderen? Und wieso ist es so schwierig, wenn man das erste Mal woanders übernachtet? Die Beiträge aus aller Welt überzeugen auf ihre ganz unterschiedliche Art mit liebevollen Details und viel Augenzwinkern. Kinderleicht greifen sie auch schwere Sujets auf.
Aus insgesamt nur fünf Farben entstand der Animationsfilm "Ruben leaves" für Erwachsene, der eigentlich nur davon handelt, dass der Protagonist Angst vorm Gespräch mit dem Chef hat. Aus Zwangsneurosen werden Fantasiewelten und grotesk anmutende Szenerien. "Bei uns liegt das in der Familie, diese Zwangsneurosendinger", verrät der Macher Frederic Siegel. Noch persönlicher wird es bei dem kleinen beinahe autobiografischen Werk Johannes Bachmanns "Die Kunst, meine Familie und ich", der seinen Beitrag aus Filmmaterial seiner Großmutter mit von seinem Urgroßvater komponierten und vom Onkel dirigierten Musik gestaltet hat.
Bis zum Abend hin ist der Kiesel im k42 dann so gut besucht, dass spontan zwei Reihen Zuschauer auf dem Boden Platz nehmen. Einfach wieder gehen ist bei der attraktiven Filmauswahl für niemanden eine Option.
Zurück zum Thema der Verantwortlichkeit des Einzelnen für Menschen in der Not geht es dann mit dem elfminütigen "Wir könnten, wir sollten, wir hätten doch..." (David Marius Lorenz). Ein Paar sitzt vor dem Fernseher, die Nachrichten zu den Geflüchteten, die in Deutschland ankommen, verklingen ungehört. Sushi und Wein und die Zweisamkeit sowie der anschließende Tatort sind wichtiger, bis es an der Tür klingelt.