Seit Montag muss sich ein 29-jähriger Rumäne vor dem Amtsgericht Tettnang verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eine 18-Jährige nach Deutschland entführt zu haben, um sie zur Prostitution zu zwingen. Der Angeklagte räumte die Taten größtenteils ein.
Schwerer Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung: Mit diesem etwas sperrigen juristischen Begriff beschreibt die Staatsanwaltschaft Ravensburg, was einer jungen Rumänin im Herbst des vergangenen Jahres widerfahren sein soll. Laut Anklageschrift soll der 29-jährige Beschuldigte am Freitag, 9. Oktober 2015, das Mädchen unter einem Vorwand im ostrumänischen Galati in sein Auto gelockt haben. Anstatt zu einem Grillfest ins nächste Dorf führt die Reise mehr als 2000 Kilometer nach Westen. Auf der Fahrt eröffnet der Mann der 18-Jährigen, dass sie in einem Nachtclub am Bodensee arbeiten solle. Wenn sie sich weigere, werde er ein Sexvideo von ihr, das er mit seinem Smartphone gefilmt habe, im Internet veröffentlichen. Er ist überzeugt, sie in der Hand zu haben. Er nimmt ihr den Pass ab, sie hat kein Geld, auch keine Sprachkenntnisse. Dennoch gelingt dem Mädchen am Abend des 11. Oktober in einem unbeobachteten Augenblick die Flucht aus einer Herberge in Friedrichshafen. Sie läuft zu einer nahe gelegenen Tankstelle und macht einer Angestellten klar, dass sie die Polizei rufen müsse.
Der Angeklagte, dessen Schwester in Deutschland als Prostituierte arbeitet, versuchte zunächst, die ganze Sache als eine Art Missverständnis darzustellen. Er sagte, dass er eine Beziehung mit der 18-Jährigen gehabt, sie geliebt habe. Sie sei freiwillig mitgefahren, einen Zwang habe er nicht ausgeübt. Es sei die Aussicht auf Geld und ein besseres Leben gewesen, die sie gelockt habe. Erst, nachdem sein Pflichtverteidiger Gerd Pokrop ihm über die Dolmetscherin hatte einflüstern lassen, mit der Wahrheit rauszurücken, räumte er ein, sie gefügig gemacht zu haben – allerdings nur verbal. "Wir fahren jetzt nach Deutschland und Ende", will er zu ihr gesagt haben. Ein Sexvideo von ihr, erklärte er, habe er nie aufgenommen oder besessen. Der 29-Jährige gab zu, dass ihm klar gewesen sei, dass das Mädchen ihm ausgeliefert sei. Er beteuerte, dass er der 18-Jährigen nur helfen wollte, einen Job zu finden. Wenn ihr die Arbeit im Nachtclub nicht gefallen hätte, wäre er mit ihr wieder nach Hause gefahren.
Keine Liebesbeziehung
Dass sie mit dem Angeklagten eine Liebesbeziehung hatte, stritt die 18-Jährige vehement ab. Sie schilderte den 29-Jährigen vielmehr als einen Stalker, der sie ständig belästigt und mit dem Video immer wieder zum Sex gezwungen habe. Natürlich habe sie sich gefragt, wo die lange Fahrt denn hinführe. Es sei auch zum Streit gekommen, weil sie gewollt habe, dass er umdreht und nach Hause fährt. Ihr sei klar gewesen, dass die Arbeit in einem Nachtclub nichts anderes als Prostitution bedeute. Auf ihr "Ich will das nicht" habe er nur geantwortet: "Du wirst Dich schon dran gewöhnen." Die Frage, ob der Angeklagte sie mit dem Video ins Auto gezwungen hatte, verneinte sie.
Die Polizei fand zwar kein Sexvideo auf dem Smarthone des Angeklagten, dennoch bezeichnete ein Häfler Ermittler die Aussage der 18-Jährigen als stimmig. In verschiedenen Chatprotokollen habe nichts darauf hingedeutet, dass die beiden ein Liebespaar waren.
Die Verhandlung wird am Mittwoch, 2. März, mit den Plädoyers und der Urteilsverkündung fortgesetzt. Beginn ist um 9 Uhr.