In mehreren Ländern hat die AfD am Sonntag Wahlsiege errungen. Mit 12,4 Prozent der Stimmen haben die Rechtspopulisten da im Bodenseekreis fast ein moderates Ergebnis eingefahren. Damit kam Kandidatin Alice Weidel nicht in den Landtag. Der Schock sitzt trotzdem tief, denn rund jeder achte Wähler im Kreis hat sein Kreuz neben ihren Namen gesetzt.
Knapp drei Prozent weniger Stimmen als im Landesschnitt hat die AfD im Wahlkreis Bodensee geholt. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Kressbronn und Sipplingen wahre AfD-Hochburgen zu geben scheint.
27,1 Prozent erreicht
So erreichte die Partei in Eriskirch 16,7 Prozent der Stimmen – Kreis-Spitzenreiter – in Friedrichshafen 15,0 Prozent. Im dortigen Wahlbezirk 41, rund um die Albert-Merglen-Schule, wurde die AfD mit 27,1 Prozent der Stimmen sogar stärkste Kraft überhaupt. Die wenigsten Anhänger hatte die Partei in Heiligenberg mit 7,8 Prozent.
Insgesamt reichte das für AfD-Kandidatin Alice Weidel nicht für den Einzug ins Landesparlament. Trotzdem war mit dem Stimmenerfolg am Sonntagabend nach eigener Aussagen "sehr, sehr zufrieden". Man sei aus dem Stand dritte Kraft im Kreis geworden, "das ist doch nicht so schlecht".
Erfolg macht Riebsamen Angst
Nicht nur der oberste Beamte im Kreis, kommentierte das allerdings ganz anders: "Die Partei hat Wahlkampf mit den Ängsten der Menschen gemacht", sagte Landrat Lothar Wölfle beim Verkünden des Ergebnisses im Wahlkreis. Mit Verweis auf den von AfD-Parteichefin Frauke Petry einst ins Gespräch gebrachten Schusswaffeneinsatz an der deutschen Grenze sagte er, es gebe "einen Wert, den darf man nicht in Frage stellen: das Recht auf Leben".
CDU-MdB Lothar Riebsamen war, stellvertretend für viele weitere Stimmen aus der kreisweiten Politik, ebenfalls "entsetzt": "Es macht mir Angst, dass die Hassprediger so viele Stimmen bekommen haben", sagte er. Der Grünen-Wahlsieger im Kreis, Martin Hahn, sagte, "die AfD ist für mich keine demokratische Partei". SPD-Kandidat Dieter Stauber sagte, der AfD-Erfolg mache ihn "zornig", sie sei "für mich keine seriöse Partei."
Man muss sich vor Ort auseinandersetzen
Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand sagte, man müsse jetzt die Frage stellen, wie man mit dem Erfolg der AfD konstruktiv umgehen könne. Auch vor Ort müsse man sich mit der Unzufriedenheit auseinandersetzen, die offenbar viele Wähler zur AfD getrieben habe, damit es "ganz konkret bei den Häflerinnen und Häflern wieder mehr Vertrauen in die Zukunft gibt. "
Dialog gefordert
Wirklich getroffen hat das gute Abschneiden der Partei auch jene, die in den vergangenen Wochen etliche Proteste gegen die AfD initiiert hatten. Luca Messerschmidt, Mitorganisator von studentischen Aktionen und dem jüngst erfolgreichen "Bürgerfest" in der Stadt als Gegenpol zum AfD-Wahlkampf sagte am Montag zur SZ, es sei "sehr schade zu sehen, dass Integration von Flüchtlingen im Kreis funktioniere – und sich das nicht im Wahlergebnis widerspiegeln würde." Die Initiative "Frühlingserwachen - Zusammenleben", zu der Messerschmidt gehört, will daher auch in den nächsten Monaten mit Aktionen auf das Thema aufmerksam machen und versuchen, "an die AfD-Wähler ranzugehen und mit ihnen in einen Dialog zu treten."