Das ehemalige Modegeschäft Binzberger steht seit langem leer, doch derzeit ziehen die großen Fenster die Blicke der Vorübergehenden magisch nach innen, denn so viel Kunst war dort gewiss noch nicht auf einmal zu sehen. Da sein Stammplatz beim Zeppelin Museum nach dem Wasserschaden dort noch immer nicht zu gebrauchen ist, ist der Kunstverein mit seinem 19. Grafikmarkt in die leerstehenden Räume in der Friedrichstraße 61 gezogen – ein großer Gewinn, denn so großzügig und luftig durften sich die angebotenen Arbeiten noch nie präsentieren.
Zu einem Win-Win für Anbieter und Kunstfreunde hat sich inzwischen auch die Preview für Mitglieder am Vorabend der offiziellen Eröffnung entwickelt: Allein 38 Werke haben bei dieser Gelegenheit schon neue Besitzer gefunden. Gar nicht unlieb ist den Veranstaltern, wenn jetzt ein Besucher den einen oder anderen roten Punkt an einem Objekt der Begierde bedauert, denn das könnte für ihn ein Anreiz sein, selbst Mitglied zu werden und damit künftig auch unter den Ersten sein zu dürfen, die die Wahl haben.
Schnäppchen vorhanden
Doch keine Angst: Unter den verbliebenen der insgesamt 128 käuflichen Werke sind noch genügend attraktive Schnäppchen zu finden und zur Eröffnung am Samstagmorgen hingen auch bereits wieder einige neue Werke an den Wänden. Nicht nur das besondere Ambiente, das der Vereinsvorsitzende Volker Westphal in seiner Begrüßung hervorhob, sondern auch die Fülle der ausgestellten Werke, die von Galeristen und Kunstsammlern kommen – Originalzeichnungen, Aquarelle und überarbeitete Grafiken – lädt zum ausgiebigen Besuch ein. Frühere Kataloge und Plakate liegen sogar gratis aus, die Spendenbüchse freut sich dennoch über einen kleinen Beitrag.
Wie immer ist dieser Grafikmarkt reich bestückt mit erschwinglichen Kunstwerken mit Preisen, die in der Mehrzahl zwischen 20 und 100 Euro liegen.
Galerist Bernd Lutze wies auf Besonderheiten hin: auf klangvolle Namen wie Joseph Beuys, Horst Antes oder Oskar Kokoschka, auf Künstler aus der Region wie Thom Barth, Burkard Beyerle, Diether F. Domes oder Hubert Gaupp. In einer Vitrine ist das Buch "Ein Gespräch mit Bäumen" mit neun Farbholzschnitten von HAP Grieshaber zu entdecken, nahe dabei eine blaue Grafik von Ugo Dossi. Zéro-Künstler seien derzeit so gefragt, dass die Preise explodieren – hier sind Arbeiten des 2015 verstorbenen Otto Piene zu finden. Von Nikolaus Mohr wurden dem Kunstverein zwei interessante Zeichnungen von privat angeboten. Auch die Vorkriegsgeneration ist beispielsweise mit Werken von Hans Stöhr aus Lindau vertreten. Man wird nicht müde, den Farben und Formen nachzuspüren, jeder wird unter der Vielzahl von Stilen einen Favoriten entdecken.
Der Grafikmarkt läuft noch bis 13. Dezember. Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Freitag von 15 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr.