"Nordlichter" werden im Frühling am Himmel über dem Bodenseeraum entzündet, und ein Stern ist die junge norwegische Trompeterin Tine Ting Helseth: Beim 28. Bodenseefestival stehen die nordischen Länder und ihre kulturelle Vielfalt im Mittelpunkt, mit allein zehn Konzerten zeigt die 28-jährige Künstlerin ihr vielfältiges Repertoire. Doch auch Film, Literatur, Theater, Tanz, Jazz und sogar ein skandinavisches Buffet dürfen nicht fehlen. Ein eigenes Programm haben die Veranstalter für Kinder entwickelt, denn was wäre die Kinderliteratur ohne Pippi Langstrumpf, Pettersson und Findus oder die Elfen und Trolle?
80 Veranstaltungen an 18 Orten in gut drei Wochen, das sind die nüchternen Zahlen für das Festival, das am 23. April mit einem Konzert des SWR Sinfonieorchesters unter dem Dänen Michael Schønwandt beginnt und am Pfingstmontag, 16. Mai in einem Picknickkonzert für die ganze Familie im Schlosspark von Salem endet. Beide Male ist Tine Thing Helseth dabei: zunächst ganz klassisch mit dem Konzert von Joseph Haydn und einem Werk, das der Däne Bent Sørensen für sie komponiert hat. Zum Picknick bringt sie ihr Jazz-Quintett und einen bunten Mix von Musikstücken mit, da können Hits der Beach Boys ebenso dabei sein wie ein Tango von Astor Piazzolla. Frauenpower im Brass-Ensemble zeigt die Gruppe tenThing, in dem gleich zehn Norwegerinnen in die üblicherweise von Männern dominierte Blechblas-Szene eindringen.
So vielseitig wie Tine Thing Helseth als Artist in Residence zeigt sich das Bodenseefestival auch in den anderen Schwerpunkten. Die Reihe "Alte Mauern, junge Künstler" wird von einem jungen Streicherkollektiv aus Island gestaltet: in Überlingen, Lindau und Pfärrich präsentieren sie neueste Musik. Skandinavische Musiker aus Klassik, Jazz und Folk geben sich ein Stelldichein. Andere wie das Hassler Consort von Franz Raml richten ihr Programm nach Norden aus. Dem großen Kapitel "Nordischer Film" widmen sich Kinos in Überlingen, Weingarten, Tettnang und Romanshorn – zwischen den Bildwelten von Bille August ("Fräulein Smilla") und Aki Kaurismäki ("I hired a contract killer") oder einer Dokumentation über eine grönländische Rockband reicht hier das Spektrum.
Nordisches in Film und Theater
Tradition haben das Literaturschiff (das, ebenfalls traditionell, bereits ausverkauft ist) und die Lesung in der Villa Lindenhof in Lindau: hier steht August Strindberg im Mittelpunkt, der seine Erzählung "Die Leute auf Hemsö" während seines Aufenthalts in Lindau im Jahr 1887 schrieb. Das Theater Konstanz nimmt Ibsens "Ein Volksfeind" in Angriff. Nicht gerade nordisch sind die Gastspiele mit "Carmen" mit der "Compañia nacional de Danza de España" und "Faust" mit dem Staatsschauspiel Dresden, doch hier sind es der Choreograf beziehungsweise der Regisseur, die einen schwedischen Blickwinkel einbringen.
"Die" nordische Kultur schlechthin gibt es nicht, wohl aber stilistische Gemeinsamkeiten und individuelle Ausprägungen. Die kann man hier kennenlernen – und der eine oder andere Krimi mag sicher auch dabei sein. Die Broschüre zum nunmehr gültigen Programm erscheint Ende nächster Woche.