Mit scharfen Angriffen an Arbeitgeber haben die DGB-Gewerkschaften gestern in Friedrichshafen die laufenden Tarifrunden befeuert. "Eine Provokation", nannte die Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung- Genuss- Gaststätten (NGG) in der Region Ulm, Karin Brugger, die Angebote der Arbeitgeber.
Denen seien, so der erste Bevollmächtigte der IG-Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, Enzo Savarino, ihre Mitarbeiter nicht einmal ein Prozent mehr Lohn wert. Und das, obwohl "manche Betriebe regelrechte Geldmaschinen" seien.
Wie im vergangenen Jahr wurde die Maifeier in Friedrichshafen wegen des Regens von den Uferanlagen ins Gewerkschaftshaus verlegt, wo um die 100 Gewerkschafter – unter ihnen die Bundestagsabgeordnete Anette Groth von den Linken – ihre Hausband "Dicke Fische", die Hauptrednerin Karin Brugger und Enzo Savarino beklatschten.
Mindestlohn: "Erfolgsgeschichte"
Die Funktionärin sprach die in diesem Jahr auslaufenden Tarifverträge für rund zwölf Millionen Beschäftigte an und forderte für deren täglich geleistete Arbeit einen gerechten Anteil. Von Arbeitgeberseite höre man dazu immer wieder dieselben Sprüche: Die Forderungen seien nicht zeitgemäß, völlig überzogen oder sie gefährdeten Arbeitsplätze. Man könne gerade glauben, die deutsche Wirtschaft läge am Boden. Dabei erarbeite man Gewinne, weshalb man eine Einkommenserhöhung verlange, die diesen Namen verdiene, forderte sie. Schon Robert Bosch habe gesagt: "Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle". Wer deshalb gute Arbeit in den Betrieben haben wolle, müsse die Arbeit der Beschäftigten honorieren.
Brugger nannte die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro eine Erfolgsgeschichte, die dem Arbeitsmarkt nicht geschadet habe. Von ihm hätten 3,7 Millionen Beschäftigte profitiert, und viele geringfügige Arbeitsplätze – insbesondere im Gastgewerbe – seien nach dessen Einführung in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt worden. Allein im Bodenseekreis habe es zum Jahreswechsel 1108 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr als noch ein Jahr zuvor gegeben.
Damit sei eindrucksvoll bewiesen, dass der Mindestlohn Arbeitsplätze schaffe und nicht vernichte, wie die Gegner immer wieder behaupteten. Karin Brugger hält auch die kritisierte Dokumentation der Arbeitszeiten für richtig, die vor allem den Arbeitgebern im Gastgewerbe ein Dorn im Auge sind. Jetzt sei es an der Zeit, den Mindestlohn deutlich in Richtung zehn Euro zu erhöhen.
Kaputt geredet
Gut sei, dass die Rente wieder auf der Agende der Politik stehe, die gefordert sei, die gesetzliche Rente so auszugestalten, dass sie zum Leben reiche. "Die gesetzliche Rente darf nicht kaputt geredet und kaputt gekürzt werden", warnte sie. Und: Die Gewerkschaften wollten nicht die Versicherungskonzerne reich machen. Menschen dürften nicht auf private Vorsorge im Alter angewiesen sein, sprach sie sich gegen ein höheres Rentenalter und stattdessen für ein höheres Rentenniveau aus.
Karin Brugger zieht den Hut vor denen, die sich im Ehrenamt für die Flüchtlinge einsetzen, die aus Angst um ihr Leben hier Schutz suchen. Sie aufzunehmen, müsse in einem der reichsten Industrienationen zu schaffen sein, dann, "wenn wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Lasst uns unserer demokratischen Werte gegen Hass und Gewalt entgegen setzen", appellierte sie.