Kurz nach der Pleite der Fluggesellschaft Intersky hat der Flughafen Friedrichshafen ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass seine Überlebenschancen prüfen sollte. Fast pünktlich zur neuerlichen Pleite der Airline VLM dringt das Werk jetzt an die Öffentlichkeit: Laut den Verfassern ist der Airport durchaus wirtschaftlich zu betreiben – doch nicht nur seine Schulden machen ihm das Leben schwer.
Auf 32 Seiten haben Analysten der Unternehmensberatung Boston Consulting zusammengefasst, was die Prüfung des Flughafen Friedrichshafens auf Herz und Nieren ergeben hat. Diese Präsentation, die der Schwäbischen Zeitung vorliegt, benennt akribisch Probleme, aber auch Chancen, die im Unternehmen stecken.
So sehen die Analysten zum Beispiel weltweit ein weiteres Wachstum des Luftverkehrs voraus, von dem auch Friedrichshafen ein Scheibchen abbekommen könnte – etwa im Bereich weiter wachsenden Charterflugverkehrs, der klassischen Urlaubsreise per Jet. Friedrichshafen profitiere auch von seinem modernen Terminal, kurzen Wegen, dem länderübergreifenden Einzugsgebiet und vielen mehr.
Doch dann kommt auch schon eine Latte an Problemen zur Sprache, die die Aufgabe, den Flughafen Friedrichshafen in die Gewinnzone zu bringen, alles andere als leicht machen. Nur ein Teil davon ist die zunehmende Konzentration des Luftverkehrs auf Großflughäfen, während Regionalflughäfen und Regionalairlines immer mehr unter Konkurrenz- und Kostendruck geraten.
Für Flughäfen der Klasse Friedrichshafen gebe es bislang noch "kein erfolgreiches Standardkonzept", räumen die Berater deshalb ein. Der Trend zu immer größeren Flugzeugen gefährdet Friedrichshafen wohl ebenso, wie die Aussicht, dass die EU irgendwann ihren Druck auf Flughafen-Subventionen erhöhen könnte. Auch die erhebliche Konkurrenz (siehe Grafik) durch andere Flughäfen wie Memmingen, Zürich oder Stuttgart hat Folgen.
Dabei wurde eines der wohl größten Probleme noch gar nicht erwähnt: Die Schulden. Rund 25 Millionen Euro drücken auf die Bilanz des Betriebs. Fachchinesisch schreiben die Analysten, die "hohe Ergebnisbelastung durch Zinsen und Abschreibungen", mache "28 Prozent des Umsatzes" des Bodensee Airport aus. Auf Deutsch heißt das: Selbst wenn der Flughafen einmal gutes Geld verdienen sollte, fressen Zinsen und Tilgungen große Teile der Gewinne wieder auf. Ein Flughafen-Sprecher teilte zwar mit, dass eine echte Entschuldung nur für den Fall betrachtet wurde, wie der Flughafen mit deutlich weniger Passagieren als heutewirtschaftlich betrieben werden könnte. Infrage stellt dies das Grundproblem der Schulden aber nicht.
660000 Passagiere
Auf Basis der Analysen haben die Berater nun vier Empfehlungen skizziert, wie der Bodensee Airport wieder in einen stabilen Flugzustand kommen könnte. Erstens soll der Betrieb zu einem sogenannten "Regional Gateway" ausgebaut werden. Das bedeutet im Vergleich zu früher eine Weiterentwicklung des Flugangebots, darunter die vorsichtige Öffnung für Billigairlines. Jahrelang galt das als No-Go, jetzt will man mit dem Thema laut Flughafen-Sprecher Andreas Humer-Hager zumindest nicht mehr "dogmatisch" umgehen.
Zweitens wollen die Berater die Passagierzahlen leicht steigern. Rund 660000 statt rund 500000 Passagiere jährlich sollen 2020 in Friedrichshafen verkehren. Und neben der schwammigen Empfehlung, weiter Kosten zu senken, schlagen die Analysten zuletzt die "Prüfung einer umfassenden Entschuldung" des Flughafens" vor – es wäre eine Art Schuldenschnitt in Griechenland-Manier.
Ob das eines Tages wirklich kommt, dürfte allerdings davon abhängen, wie ernst die wichtigsten Anteilseigner – Stadt Friedrichshafen, Bodenseekreis und Land Baden-Württemberg – diesen Hinweis wirklich nehmen. Einzelne Befürworter soll es im Kreistag bereits geben.
Das sagen die Betroffenen
Bodenseekreis: Die Analyse wurde im Kreistag vorgestellt. Das Gremium befürwortet mehrheitlich die Ausrichtung des Flughafens als "Regional Gateway". Dem Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung des Airports wurden offenbar noch weitere strategische Vorgaben gemacht.
Stadt Friedrichshafen: Das Gutachten wurde im April im Gemeinderat vorgestellt. Es stellt aus Sicht der Stadt "eine solide und belastbare Grundlage dar" und gilt als Orientierung für die Zukunft.
Bodensee Airport: Der Aufsichtsrat des Flughafens hat bereits – mit Zustimmung der Gesellschafter – dem Plan zugestimmt, den Ausbau zum "Regional Gateway" weiter zu verfolgen. Laut Flughafen ist das Gutachten "fundiert" und soll die bisherige Strategie des Unternehmens bestätigen. Nicht ein Ausbau, sondern die optimale Nutzung der Kapazitäten stehe im Vordergrund. Sowohl die Prüfung einer vorsichtigen Öffnung für Billigflieger als auch der leichte Ausbau der Passagierzahlen wird als machbar angesehen.