Zwischen blütenweißen Deckeln eines Ringbuches ist der Haushalt 2017 des Bodenseekreises gestern auf den Tischen der 58 Kreisräte gelandet. Druckfrisch und zum ersten Mal nicht mehr in der alten kameralistischen, sondern doppischer Form, die sich am kaufmännischen Rechnungswesen orientiert. Einfacher ist die Lektüre desselben aber nicht geworden: Vorne 36 Seiten Vorbericht gespickt mit Fachbegriffen und Abkürzungen, in der Mitte nahezu 300 Seiten nur Zahlen und Tabellen, am Ende ein Glossar mit 20 eng bedruckten Seiten über das neue Haushaltsrecht von A wie Abschreibung bis Z wie Zinslastquote.
Fragen durften die Kreistagsmitglieder gestern keine stellen. Auch mit Fraktionserklärungen oder Anträgen müssen sie sich noch zurückhalten. Bei der Einbringung des Haushalt haben traditionsgemäß nur der Landrat und sein Finanzdezernent das Wort. Im nächsten Schritt wird der Haushalt in den Ausschüssen durchgekaut, bevor er in der letzten Sitzung vor Weihnachten am 20. Dezember beraten und verabschiedet wird.
In seiner Haushaltsrede ging Landrat Wölfle auf das Große Ganze ein, während Finanzdezernent Hermann die Teilhaushalte erläuterte. Eine beruhigende Nachricht für die Bürgermeister zuerst: Der Hebesatz der Kreisumlage sinkt von 33,4 auf 32 Prozentpunkte. Nachdem die Gemeinden 2016 stärker zur Kasse gebeten wurden, kommt jetzt der Ausgleich - zumindest nominell, denn tatsächlich steigt er um 1,4 Prozent. Aber das zu erklären, reichen diese Spalten nicht aus.
Gemessen an dem, was die Kreisumlage leisten soll, nämlich das Defizit im Sozialhaushalt abdecken, ist der Bodenseekreis gegenüber anderen Landkreisen deutlich im Hintertreffen. Bei Sozialkosten in Höhe von mehr als 195,7 Millionen Euro entsteht ein Defizit von 100 Millionen Euro, davon kann die Kreisumlage aber nur 87,6 Millionen Euro decken. Überhaupt zeigen die Sozialausgaben in den vergangenen Jahren nur in eine Richtung: nach oben. 100 Millionen Euro Defizit sind acht Prozent mehr als im Vorjahr.
Mit rund 45 Millionen Euro ist der Bereich Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen der größte und am schnellsten wachsende Teil. Vor zehn Jahren hat der Landkreis knapp 25 Millionen dafür ausgegeben. Durch das Bundesteilhabegesetz, das 2017 in Kraft tritt, sei mit einer weiteren Steigerung zu rechnen, sagte der Landrat.
"Wir haben es angepackt"
Auch die Ausgaben für Asylbewerber schlagen kräftig zu Buche. Knapp 15 Millionen Euro sind unter "Hilfen für Flüchtlinge und Aussiedler" vermerkt, Investitionen in Gebäude nicht eingerechnet. Dankbar zeigte sich der Landrat mit welch großem Engagement in den Ämtern und in der Bürgerschaft diese Aufgabe angegangen wird. "Wir haben nicht gefragt, ob wir das schaffen, sondern wir haben es angepackt", so Wölfle.
Die Personalkosten bleiben mit 53 Millionen Euro nahezu gleich wie im Vorjahr. Sie machen 17,2 Prozent des Ergebnishaushalts aus, gefolgt von den Sach- und Dienstleistungen mit einem 16,4 Prozent-Anteil. Obwohl die Wirtschaft auf Hochtouren läuft und die Konjunktur keine Schwächen zeigt, sinkt die Steuerkraftsumme der Gemeinden um 2,5 Millionen auf 273,6 Millionen Euro.
Die Grunderwerbsteuer sprudelt voraussichtlich weiter. 18 Millionen Euro hat der Kämmerer eingeplant. Von den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW) kommt das zweite Jahr in Folge nichts mehr. 2013 brachte die Beteiligung an der EnBW dem Bodenseekreis noch mehr als sechs Millionen Euro. Die Mehrerträge bei den Bußgeldern in Höhe von 1,5 Millionen Euro können das nicht ausgleichen.
Der Schuldenabbau läuft wie geplant. Lag man vor zehn Jahren noch bei 58,8 Millionen Euro, so werden es Ende nächsten Jahres 24,1 Millionen Euro sein, Pro-Kopf macht das 114 Euro, womit der Bodenseekreis deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 186 Euro liegt. Die geplanten Investitionen in Höhe von 24,6 Millionen Euro können ohne Neuverschuldung getätigt werden. Sie beinhalten unter anderem die Erneuerung der Leitstelle, die Sanierung der Sporthalle und Räume am Bildungszentrum Markdorf, neue Asylunterkünfte, Straßen und Radwege.