Wegen einer exhibitionistischen Handlung hat das Amtsgericht Tettnang am Dienstag einen 34-Jährigen zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Der Angeklagte stritt die Tat ab, doch Richterin Kathrin Lauchstädt sah es als erwiesen an, dass der Mann im Beisein einer Kollegin an seinem Glied herumgespielt hatte.
Was ist das für ein Mann, der dort auf der Anklagebank sitzt? Ein liebevoller Familienvater, gebildet, höflich und respektvoll im Umgang mit Frauen? Oder ein Triebtäter, der vor einer jungen Kollegin die Hose runterlässt und sie zu sexuellen Handlungen drängt? Oder ist er beides in einer Person? Mit diesen Fragen musste sich am Dienstagmorgen das Amtsgericht Tettnang auseinandersetzen, als es gegen einen 34-Jährigen wegen eines Vorfalls vom 13. November 2015 verhandelte. Der Mann arbeitete damals als Helfer in der Essensausgabe eines Altenheims. Am Abend dieses Tages soll er einer Pflegerin in das Zimmer einer Bewohnerin gefolgt sein. Als die junge Frau die Demenz-Patientin versorgen wollte, soll er die Hose geöffnet und an seinem Geschlechtsteil herumgespielt haben. Außerdem soll er die 22-Jährige aufgefordert haben, ihn zu berühren. Die Bedrängte rief über das Diensttelefon eine Kollegin, die wenige Minuten später herbeieilte. Als sie ins Zimmer stürmte, will die Hinzugerufene noch gesehen haben, wie der Angeklagte die Hose schloss. Anschließend habe sie ihn des Zimmers verwiesen.
Zunächst einmal sei die Angelegenheit totgeschwiegen worden. Als der 34-Jährige sie jedoch einige Tage später erneut bedrängte und zu küssen versucht habe, offenbarte sich die Pflegerin erst der Heimleitung und anschließend der Polizei. Nachdem die Polizei ermittelt hatte, verhängte die Staatsanwaltschaft Ravensburg am 12. Juli diesen Jahres einen Strafbefehl wegen einer exhibitionistischen Handlung: 90 Tagessätze á zehn Euro. Weil der Beschuldigte dagegen Widerspruch einlegte, landete die Sache vor dem Amtsgericht.
Bei der Verhandlung bestritt der Mann wort- und gestenreich die Anschuldigungen und versuchte, vielmehr sich als Opfer darzustellen. Er erklärte, dass die jungen Kolleginnen – vor allem in gemeinsamen Rauchpausen – anzügliche Bemerkungen fallen gelassen und ihn begrapscht hatten. Natürlich habe er alle Avancen zurückgewiesen, er sei ja schließlich verheiratet, betonte der Angeklagte. Laut seiner Aussage sei damals nichts passiert und der Tatvorwurf frei erfunden.
Die junge Pflegerin, die als erste Zeugin aussagte, blieb bei ihrer Version. Sie berichtete, dass der 34-Jährige vor dem Vorfall gerne mit Frauengeschichten geprahlt und auch Flirtversuche gestartet habe. Bis zu jenem verhängnisvollen Abend sei sie mit ihm "immer gut klargekommen". Auch die Kollegin, die der 22-Jährigen zu Hilfe gekommen war, blieb bei ihrer Aussage, die sie schon bei der Polizei abgegeben hatte. Sie sagte, dass der Mann "erschrocken geguckt" habe, als sie hinzukam, und sich gerade die Hose schloss.
"Unvorstellbare" Vorwürfe
Die Verteidigung holte mit der Vermieterin und zwei Bekannten der Familie drei Frauen in den Zeugenstand, die allesamt den guten Leumund und den einwandfreien Charakter des Angeklagten bestätigten. Dass er durch sexistisches Verhalten aufhält oder gar zu Übergriff fähig ist, hielten alle drei für unvorstellbar.
Nicht so Staatsanwalt Wolfgang Angster, der in seinem Plädoyer die zentrale Frage aufwarf: "Warum sollten die beiden Frauen eine solche Geschichte erfinden?" Er ordnete die Aussagen der beiden Altenpflegerinnen als glaubhaft ein. Sie hätten auch keinen zweiten Vorfall abwarten müssen, wenn sie den 34-Jährigen anschwärzen wollten, sondern schnurstracks zur Polizei gehen können. Rechtsanwalt Boris Koch stellte eine Gegenfrage: "Warum soll mein Mandant die Tat begangen haben?" Die Schilderungen der jungen Frau nannte er "völlig abstrus", denn: "Hätte der Angeklagte vor der dementen Patientin sexuell intim werden wollen?" Weil für ihn der Vorfall nicht erwiesen sei, forderte er einen Freispruch.
Richterin Kathrin Lauchstädt folgte bei ihrem Urteilsspruch voll der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Sie konnte kein Motiv für eine falsche Anschuldigung erkennen und hielt ein Komplott der beiden Frauen für "abwegig". Mit 90 Tagessätzen á zehn Euro bestätigte sie den ursprünglichen Strafbefehl.